Begriff der sexuellen Belästigung

Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG ist gegeben, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten vorliegt, welches bezweckt oder bewirkt, dass die betroffene Person in seiner Würde verletzt ist. Als sexuelle Belästigung sind alle Arten von unerwünschten sexuellen Handlungen zu verstehen, diese können verbal, nonverbal oder physischer Natur sein, wie etwa Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie das Zeigen und Anbringen pornografischer Darstellungen. Ob eine Würdeverletzung beabsichtigt wurde ist unerheblich, es kommt dabei nur auf die Auswirkung auf die belästigte Person an. In einem aktuellen Urteil des BAG (Urteil vom 29.06.2017) – 2 AZR 302/16) wurde entschieden, das es auch auf eine sexuelle Motivation der Berührung nicht ankommt, wenn primäre oder sekundäre Geschlechtsmerkmale absichtlich berührt werden. Eine solche Handlung ist immer sexuell bestimmt i.S.d § 3 Abs. 4 AGG.

Schutz durch das AGG

Das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) verbietet sexuelle Belästigung und gibt den Beschäftigten Rechte, sich gegen solche Belästigungen zu wehren. Gleichzeitig bestimmt das AGG aber auch eine Schutzpflicht für den Arbeitgeber. Schutzgut ist dabei die sexuelle Selbstbestimmung als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Rechte der Betroffenen Das AGG sieht für Betroffene drei wesentliche Rechte vor:

1. Beschwerderecht,  § 13 AGG

Allen Beschäftigten steht das Recht zu bei der zuständigen Stelle Beschwerde einzulegen, wenn sie nach dem AGG benachteiligt wurden, dazu gehört auch die sexuelle Belästigung. Die Beschwerdestelle muss sich mit der Beschwerde auseinandersetzen und die übermittelten Informationen überprüfen. Dem Beschwerdeberechtigten dürfen daraus keine betrieblichen Nachteile entstehen.

2. Leistungsverweigerungsrecht, § 14 AGG

Als weiteres Mittel kann der Betroffene auch die Arbeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einstellen, wenn der Arbeitgeber keine geeigneten Maßnahmen zur Unterbindung der Belästigung ergreift. Der Beschäftigte sollte das Leistungsverweigerungsrecht aber nur in Ausnahmefällen in Anspruch nehmen, da der Arbeitnehmer bei ungerechtfertigter Leistungsverweigerung eine Kündigung durch den Arbeitgeber riskiert.

3. Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz, § 15 AGG

Die Betroffen können bei sexueller Belästigung in einigen Fällen auch ihren Arbeitgeber auf Schadensersatz bzw. Entschädigung in Anspruch nehmen. Beispielsweise bei Arzt- oder Therapiekosten, die wegen der sexuellen Belästigung entstanden sind oder auch Schmerzensgeld. Solche Ansprüche müssen innerhalb von zwei Monaten schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden.

Pflichten des Arbeitgebers

Es ist die Verantwortung des Arbeitgebers Präventionen und Maßnahmen gegen sexuelle Belästigungen zu ergreifen. Der Arbeitgeber hat bei solchen Verstößen die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen – wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung – zu ergreifen, gem. § 12 Abs. 3 AGG. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab.

Kündigungsgrund:

Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten und kann „an sich“ immer ein geeigneter Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v § 626 Abs. 1 BGB sein. Die fristlose Kündigung muss aber unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung beiderseitiger Interessen gerechtfertigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche mildere Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als relativ mildere Mittel kommen Versetzung und vor allem Abmahnung in Betracht. Einer Abmahnung bedarf es dann nicht, wenn bereits von vornherein erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass deren Hinnahme ausgeschlossen ist.

Versetzung

Eine Versetzung ist dann geeignet, wenn eine Abmahnung nicht ausreicht aber eine Kündigung zu hart erscheint. Eine Kündigung ist auszusprechen, wenn es sich um einen schweren Verstoß handelt, dies ist vor allem dann der Fall, wenn das belästigende Verhalten strafrechtlich relevant wird, wie etwa bei körperlichen Übergriffen und Nötigung. Zweck einer Kündigung darf aber nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens sein, sondern die Vermeidung von künftigen Störungen des Arbeitsverhältnisses (Prognoseprinzip).

Richtige Reaktion - richtige Hilfe

Das Thema der sexuellen Belästigung ist äußert heikel.

Natürlich ist es gerade für Opfer sexueller Belästigung oft sehr schwer, sich zu offenbaren und sich Hilfe zu suchen. Doch auch für Arbeitnehmer, die sich einer ungerechtfertigten Anschuldigung der sexuellen Belästigung ausgesetzt sehen, bricht oft eine Welt zusammen. Schließlich ist es auch für Arbeitgeber oft sehr schwer, richtig zu reagieren, wenn der Vorwurf der sexuellen Belästigung in der Belegschaft zur Sprache kommt.

In jeden Fall empfiehlt sich dringend frühzeitig einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu kontaktieren, der sich diesem schwierigen Thema mit der nötigen Sensibilität und Professionalität nähert.