Hintergrund des Urteils: Kündigung nach Auswertung privater Nachrichten
Dem Urteil lag eine arbeitsrechtliche Streitigkeit über eine fristlose, verhaltensbedingte Kündigung zugrunde, die insbesondere auf dem Vorwurf des Arbeitsgebers beruhte, dass der Arbeitnehmer vertrauliche Informationen an Konkurrenzunternehmen weitergeleitet habe. Der Arbeitgeber wusste von diesem Vorgang und weiteren Kündigungsgründen – nämlich der Löschung dienstlicher E-Mails und der privaten Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel durch den Arbeitnehmer – aufgrund einer unangekündigten Untersuchung des Mobiltelefons, das der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt hatte. Der Arbeitgeber hatte diese Untersuchung vorgenommen, obwohl er zuvor keinen konkreten Verdacht in dieser Hinsicht gegen den Mitarbeiter hatte.
Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer war von Anfang an vereinbart gewesen, dass das dienstliche Smartphone sowohl für berufliche als auch für private Zwecke genutzt werden darf. Zur privaten Nutzung der betrieblichen E-Mail-Adresse hatten die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen.
Bedeutung eines Sachvortragsverwertungsverbots
Ein Sachvortragsverwertungsverbot bedeutet vereinfacht gesagt, dass schon der Vortrag einer Partei (zum Beispiel des Arbeitgebers) in einem gerichtlichen Verfahren zu einem bestimmten Thema nicht für das Urteil verwertet werden darf, unabhängig davon, ob man diese Behauptung beweisen könnte oder ob überhaupt jemand den Vortrag bestritten hat. Dies ist zu unterscheiden vom sogenannten Beweisverwertungsverbot, bei dem man zwar zunächst bestimmte Punkte vorgetragen hat, dann aber die Beweismittel für diese Behauptung aus rechtlichen Gründen nicht verwendet werden dürfen. Das Sachvortragsverwertungsverbot ist also das Weitreichendere, da die Parteien nicht mal die Chance haben, dass die Darstellung ihres Standpunktes zu dem betroffenen Thema in irgendeiner Weise gewürdigt wird.
Voraussetzungen eines Sachvortragsverwertungsverbots
Aufgrund des hohen Stellenwertes des Anspruchs auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG werden Verwertungsverbote grundsätzlich nur in Ausnahmefällen angenommen. Der Ausschluss eines Sachvortrags von der gerichtlichen Verwertung ist daher nur dann zulässig, wenn die verfassungsrechtlich geschützte Position einer Partei dadurch verletzt wird. Eine solche Grundrechtsverletzung liegt zum Beispiel bei der Missachtung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Auch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sieht ein Verwertungsverbot für Tatsachen vor, die durch Maßnahmen bekannt geworden sind, die nicht den datenschutzrechtlichen Vorgaben entsprechen.
Private E-Mails und Whatsapp sind auch auf dem Diensthandy geschützt
Das LAG Baden-Württemberg hat geurteilt, dass wenn – wie im vorliegenden Fall – zwischen den Parteien vereinbart war, dass das dienstliche Smartphone auch für private Zwecke genutzt werden darf, und es zudem an einer konkreten Regelung zur privaten Nutzung der betrieblichen E-Mail-Konten fehlt, eine verdachtsunabhängige Überprüfung des Mobiltelefons ohne Ankündigung unwirksam ist. Durch die Vereinbarung, dass auch die private Nutzung des Endgeräts erlaubt ist, ist bei dessen Auswertung eine verschärfte Verhältnismäßigkeitskontrolle notwendig. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer daher die Überprüfung des Kommunikationsmittels, so wie den Grund dafür im Voraus mitteilen. Dabei muss dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden, private Nachrichten der Überprüfung durch den Arbeitnehmer zu entziehen, zum Beispiel indem er sie vor der Kontrolle löscht.
Lediglich bei der Existenz konkreter Anhaltspunkte für einen Kündigungsgrund schon vor der Kontrolle ist eine Überprüfung ohne vorherige Ankündigung möglich.
Sachvortragsverwertungsverbot bei unverhältnismäßiger Auswertung des Diensthandys
Die Medienauswertung im vorliegenden Fall war nach dem Urteil des LAG Baden-Württemberg unverhältnismäßig, sodass die durch den Arbeitgeber unzulässig beschafften Daten einem Sachvortragsverwertungsverbot unterlagen. Die Kernargumente des Gerichts waren, dass keine Einwilligung durch den Arbeitnehmer in die Untersuchung vorgelegen hatte und die bloße Übergabe des Smartphones nicht konkludent als Einwilligung ausgelegt werden dürfe.
Das LAG argumentierte außerdem, dass bei einer erlaubten Mischnutzung des Diensthandys auch von der Erlaubnis der Privatnutzung der betrieblichen E-Mail-Adresse ausgegangen werden dürfe. Es handle sich dabei um übliches Verhalten. Im Ergebnis war die Überprüfung der Kommunikationsmedien nicht mit dem Bundesdatenschutzgesetz vereinbar, sodass ein gravierender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters vorlag, als seine privaten Nachrichten ausgewertet wurden.
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