Wichtiger Grund und Interessenabwägung bei einer fristlosen Kündigung
Wegen ihrer weitreichenden Folgen ist die Voraussetzung einer fristlosen außerordentlichen Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB zunächst das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wird rechtlich in zwei Stufen überprüft:
Auf der ersten Stufe ist zu bewerten, ob der Sachverhalt, der zur Kündigung geführt hat, „an sich“ und damit typischerweise – ohne Berücksichtigung der individuellen Umstände – als wichtiger Grund geeignet ist. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, dann ist auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Rahmen der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar wäre.
Es muss also eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall erfolgen. Dabei ist auf die Schwere und die Folgen der Pflichtverletzung, eine etwaige Wiederholungsgefahr, den Verschuldensgrad des Arbeitnehmers und die Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Ferner sind das Alter des Arbeitnehmers, dessen Familienstand und eventuelle Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Dies alles erfolgt auch vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
BAG: Ernstliche Bedrohung ist wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung
In dem vom BAG kürzlich entschiedenen Fall hatte der gegen die Kündigung klagende Arbeitnehmer den Personaldisponenten des Arbeitgebers, der einige Tage zuvor eine Abmahnung in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen hatte, in einem Gespräch mit den Worten „Ihr Ochsen, wenn ich noch einmal einen von Euch vor meiner Haustür oder meinem Briefkasten sehe, werde ich Euch schlagen, dann kann nicht mal die Polizei Euch helfen.“ und „Ochse, Du musst in Zukunft auf Dich und deine Familie achten“ bedroht.
Das gegenständliche BAG-Urteil dreht sich insofern um einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund, da eine Bedrohung ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers darstellt, das zudem abstrakt geeignet ist, das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu zerstören.
Das BAG entschied, dass diese ernstliche Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen und/oder deren Verwandten, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift, bereits auf der ersten Stufe des oben dargestellten Prüfungsmaßstabs „an sich“ als wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist. Daher war eine diesbezügliche Abmahnung entbehrlich, auch die weitere Interessensabwägung fiel zulasten des Arbeitnehmers aus.
Konsequenzen für Arbeitnehmer im Umgang mit Vorgesetzten
Aufgrund dieses Urteils können Arbeitgeber in Zukunft davon ausgehen, dass eine Bedrohung von Vorgesetzten oder Kollegen durch den Arbeitnehmer ohne Weiteres als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung ausreichend ist. Arbeitnehmer sollten dies bei ihrer Wortwahl in hitzigen Situationen berücksichtigen und mit einer fristlosen Kündigung ohne Vorwarnung rechnen, falls sie entsprechend ausfällig werden. Dennoch müssen Arbeitgeber etwaige Entgleisungen vor Gericht auch belegen können. Sie tragen die Beweislast und sollten daher auf Zeugen zurückgreifen können, wenn sie nach einer solchen Situation eine fristlose Kündigung aussprechen wollen.
Rechtsschutz für Arbeitnehmer gegen fristlose Kündigungen
Wenn Sie als Arbeitnehmer eine fristlose außerordentliche Kündigung erhalten und dagegen vorgehen wollen, ist schnelles Handeln erforderlich. Die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage beträgt – wie bei jeder Kündigung – lediglich 3 Wochen ab Erhalt der Kündigungserklärung. Basiert die Kündigung wie in dem vom BAG entschiedenen Fall auf einem verhaltensbedingten Grund, droht zudem eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld.
Als erfahrene Fachanwälte für Arbeitsrecht haben wir auch diese Besonderheiten stets im Blick und erarbeiten mit Ihnen das ideale Vorgehen in Ihrem Fall. Kontaktieren Sie uns daher gerne telefonisch oder über unser Kontaktformular.