Grundsätzlich keine Verpflichtung für Arbeitnehmer zur Erreichbarkeit in der Freizeit
Unabhängig davon, ob man sich im Urlaub befindet, Feierabend hat oder krank ist: Grundsätzlich sind Arbeitnehmer in ihrer Freizeit nicht zur Erreichbarkeit verpflichtet, sofern nichts anderes wirksam im Arbeitsvertrag geregelt ist. Zwar gibt es kein arbeitsrechtliches Gesetz, das das ausdrücklich regelt. Jedoch wird die Freizeit der Arbeitnehmer an einigen Stellen im Gesetz geschützt. So schreibt § 5 Absatz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zum Beispiel nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden vor, gemäß § 9 Absatz 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigt werden und § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) sieht für den Urlaub einen Erholungszweck vor.
Aktuelle Rechtsprechung des BAG zur Erreichbarkeit von Arbeitnehmern in der Freizeit
Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 23.08.2023 (Aktenzeichen: 5 AZR 349/22) entschieden, dass Arbeitnehmer in geringem Umfang auch in ihrer sonst geschützten Freizeit dienstliche Nachrichten lesen müssen.
In dem konkreten Fall hatte ein Notfallsanitäter zweimal jeweils in seiner Freizeit, einen Tag bevor er wieder Dienst hatte, kurzfristige Änderungen des Dienstplans für den nächsten Tag zugeschickt bekommen. Nachdem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer telefonisch in seiner freien Zeit nicht erreichte, schickte er ihm den Dienstplan mit den geänderten Arbeitszeiten per SMS zu.
Da der Arbeitnehmer diese Nachricht nicht las, erschien er nicht zu der darin mitgeteilten Uhrzeit an seinem Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber wertete dieses Verhalten als unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz und erteilte im ersten Fall eine Ermahnung, im zweiten Fall eine Abmahnung. Außerdem wurden dem Arbeitnehmer die Fehlzeiten als Minusstunden auf seinem Arbeitszeitkonto eingetragen. Dagegen ging der Notfallsanitäter gerichtlich vor.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein bestätigte in seinem Urteil zunächst den Arbeitnehmer in seiner Auffassung, dass er in seiner Freizeit nicht für die Mitteilung einer Dienstplanänderung erreichbar sein muss.
Diese Entscheidung wurde nun vom BAG in dem oben genannten Urteil aufgehoben. Damit waren sowohl die Abmahnung als auch die Minusstunden rechtmäßig.
Lesen von SMS mit Diensteinteilung in der Freizeit ist zulässige Nebenpflicht
Zwar widerspricht das BAG in seinem Urteil nicht dem gesetzlichen Grundsatz, dass der Arbeitnehmer in seiner Freizeit nicht zur Erbringung seiner arbeitsvertraglichen Hauptleistung verpflichtet ist.
Allerdings sieht das BAG die Kenntnisnahme einer Nachricht zum Arbeitsbeginn am nächsten Tag nicht als Arbeitstätigkeit, sondern als bloße Vorbereitungshandlung zur ordnungsgemäßen Arbeitserbringung an. Der Arbeitnehmer hat im Arbeitsrecht eine sogenannte Nebenpflicht nach § 241 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Arbeitgebers. Darunter fällt auch die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitsleistung zu sichern. Zur Sicherung der Arbeitsleistung ist es unter anderem erforderlich, kurzfristige Änderungen des eigenen Dienstplanes zur Kenntnis zu nehmen. Andernfalls könnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die für seinen Dienstantritt erforderlichen Informationen gar nicht zukommen lassen.
Lesen von SMS mit Diensteinteilung ist keine unzulässige Beeinträchtigung der Freizeit
Dabei hat das BAG auch die Interessen des Arbeitnehmers an seiner ungestörten Freizeit, in der er nicht zur Erreichbarkeit verpflichtet ist, berücksichtigt. Eine ununterbrochene Erreichbarkeit wird im Rahmen der Nebenpflicht gerade nicht gefordert. Da dem Arbeitnehmer überlassen blieb, wo und wann er die Nachricht zur Kenntnis nahm, wurde er nicht in seiner geschützten Freizeit gestört. Es war ihm weiterhin möglich, frei über diese Zeit zu verfügen, sodass es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes handelte. Da im konkreten Fall arbeitsvertraglich festgelegt war, dass die Arbeitszeit bis 20 Uhr des jeweiligen Vorabends konkretisiert werden muss, konnte sich der Arbeitnehmer auch darauf einstellen, wann er seine Nachrichten einmalig überprüfen muss.
Auch die Ruhezeiten wurden deshalb nicht berührt, da der Arbeitnehmer die SMS auch am Morgen seines Arbeitstages noch hätte lesen können.
Einordnung der neuen Rechtsprechung des BAG
Das Urteil des BAG verlangt keine allgemeine und andauernde Erreichbarkeit der Arbeitnehmer in ihrer Freizeit. Arbeitgeber dürfen aber von ihren Arbeitgebern in sehr begrenztem Umfang deren Erreichbarkeit auch in der Freizeit verlangen. Dies gilt nur, sofern dadurch keine Arbeitsleistung in der Freizeit verlangt wird und die gesetzlich geschützten Erholungszeiten nicht beeinträchtigt werden. Nach der neuen Rechtsprechung des BAG sind Arbeitnehmer daher verpflichtet, in ihrer Freizeit Nachrichten zu ihrem kurzfristig geänderten Dienstplan zur Kenntnis zu nehmen.
Beratung im Arbeitsrecht
Als Fachanwälte für Arbeitsrecht stehen wir Ihnen mit langjähriger Erfahrung und unserer Expertise zur Seite. Natürlich beraten wir Sie auch gerne bereits vorbeugend über arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten, sei es als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber. Zögern Sie daher nicht, uns zu kontaktieren!
Unabhängig davon, ob man sich im Urlaub befindet, Feierabend hat oder krank ist: Grundsätzlich sind Arbeitnehmer in ihrer Freizeit nicht zur Erreichbarkeit verpflichtet, sofern nichts anderes wirksam im Arbeitsvertrag geregelt ist. Zwar gibt es kein arbeitsrechtliches Gesetz, das das ausdrücklich regelt. Jedoch wird die Freizeit der Arbeitnehmer an einigen Stellen im Gesetz geschützt. So schreibt § 5 Absatz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zum Beispiel nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden vor, gemäß § 9 Absatz 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigt werden und § 1 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) sieht für den Urlaub einen Erholungszweck vor.