Das „Anti-Diskriminierungsgesetz“

Das AGG (auch Anti-Diskriminierungsgesetz genannt) wurde geschaffen, um zu Unrecht benachteiligten Personen Ansprüche gegen den Verletzer einzuräumen. Dies hat vor allem im Arbeitsleben eine praktische Bedeutung. So muss der Arbeitgeber heute bei jeder konkreten Ungleichbehandlung nachweisen können, dass diese gerechtfertigt ist. Er muss zum Beispiel bei einem abgelehnten Bewerber darlegen, dass die Ablehnung aus Gründen erfolgte, die keinen diskriminierenden Hintergrund aufweisen. In der arbeitsrechtlichen Praxis zeigte das AGG schon seit seinem Inkrafttreten im Jahr 2006 deutliche Wirkungen. Die Zahl der Prozesse stieg kontinuierlich. Und auch in vielen Haftpflichtpolicen finden sich heute Versicherungen gegen Ansprüche aufgrund des AGG - ein deutlicher Hinweis auf die praktische Relevanz des neuen Gesetzes.

Bewerberfreundliche Rechtsprechung des BAG

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zeigte sich schon früh eine bewerberfreundliche Tendenz ab. Ein Beispiel: Sogar dann, wenn ein Bewerber objektiv nicht für eine ausgeschriebene Stelle geeignet ist, sei ein Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz grundsätzlich nicht ausgeschlossen (BAG Urteil vom 19. Mai 2016, 8 AZR 470/14).

Im zugrunde liegenden Fall hatte sich ein Jurist auf eine Stelle beworben, die eine „erstklassige juristische Qualifikation“ voraussetzte. Er selbst konnte jedoch nur zwei befriedigende Staatsexamina vorweisen. Gleichwohl war im Ausschreibungstext von einem „jungen und dynamischen Team“ die Rede, und es wurde ein Bewerber mit „0 bis 2 Jahren Berufserfahrung“ gesucht. Diese in der Stellenanzeige beschriebene Voraussetzung reichte dem BAG aus, um bei dem schon etwas älteren Bewerber einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung anzunehmen. Nach Auffassung des BAG käme es bei der Frage der Entschädigung auch nicht darauf an, ob der Betroffene eine Zusage für die ausgeschriebene Stelle überhaupt ernsthaft angestrebt hatte.

Das Entstehen von „AGG Hoppern“

Leider führte diese Rechtsprechung, die eigentlich den Schutz diskriminierter Arbeitnehmer zum Ziel hatte, dazu, dass immer mehr die Idee um sich griff, Bewerbungen einzig mit dem Ziel zu schreiben, eine Entschädigung zu ergattern. Man sprach von regelrechten „AGG Hoppern“. Nicht selten waren es gerade Juristen und Anwälte, die den Schutz von Minderheiten ausnutzten, um durch Absagen in Bewerbungen Entschädigungen einzuklagen.

Kein Anspruch bei Rechtsmissbrauch

In einer neueren Entscheidung setzt das BAG diesen Ansprüchen aufgrund von vermeintlicher Diskriminierung jetzt jedoch eine deutliche Grenze (Urteil 25. Oktober 2018, 8 AZR 562/16). Diese werde durch § 242 BGB bezeichnet: Wenn die Ausübung eines Rechts gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, ist die Einforderung einer darauf beruhenden Anspruchs untersagt. Im zugrunde liegenden Fall sei es dem Kläger ausschließlich um den formalen Status eines Bewerbers im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG gegangen, der ihn in die Lage versetzen würde, einen Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch geltend zu machen.

Wenn eine Rechtsposition durch ein „unredliches Verhalten“ begründet wird, sei dieses nicht schutzwürdig im Sinne des Gesetzes. Allerdings trage derjenige, der den Einwand nach § 242 BGB erhebt, die Darlegungs- und Beweislast für den Rechtsmissbrauch. Das rechtsmissbräuchliche Verhalten müsse sowohl objektiv wie subjektiv vorliegen. Lässt zum Beispiel der Inhalt eines Bewerbungsschreibens keinen anderen Schluss darauf zu, dass es dem Bewerber allein darum ging, eine Absage geradezu zu provozieren, greife der Einwand des Rechtsmissbrauchs durch.

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger bei der Bewerbung auf eine Stelle bei einem kirchlichen Träger ausdrücklich im Bewerbungsschreiben ausgeführt, dass er aus finanziellen Gründen aus der Kirche ausgetreten sei. Nachdem er die Stelle nicht bekam, erhob er Klage wegen Diskriminierung aus religiösen Gründen.

Das BAG führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass die provokante Formulierung im Bewerbungsschreiben offensichtlich dazu gedient habe, eine Absage zu provozieren. Ein Bewerber, der ernsthaft Interesse an der Stelle gehabt hätte, hätte zwar schreiben können, dass er keiner kirchlichen Gemeinschaft angehöre, es gab aber keinen Grund den Kirchenaustritt aus finanziellen Gründen derart exponiert zu erwähnen.

Der Kläger hatte zudem ganz bewusst gerade die Aspekte, bei denen er nicht den Anforderungen der Bewerbung entsprach (in diesem Fall Berufszugehörigkeit)  ganz besonders intensiv herausgearbeitet und das Augenmerkt des Arbeitgebers darauf gelenkt.

Dies ließ nur den Schluss zu, dass es dem Kläger eben nicht um die Stelle ging, sondern darum, eine Absage zu provozieren und eine Entschädigung zu erhalten.

Fazit

Die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des wichtigen Schutzzwecks des Antidiskriminierungsgesetzes schadet nicht nur Arbeitgebern, sondern vielmehr noch den Arbeitnehmern, die wirklich unter Diskriminierung zu leiden haben und deren legitime Ansprüche auf Entschädigung damit herabgewürdigt werden.

Für die Arbeitgeber ist die Suche nach geeigneten Bewerbern auf offene Stellen durch das AGG nicht leichter geworden. Sie setzen sich schon mit der Ausschreibung einer Stelle dem Risiko eines arbeitsgerichtlichen Prozesses aus. Als spezialisierte Rechtsanwälte helfen wir Ihnen sowohl bei der Formulierung der Stellenausschreibung und bei der Abwehr von gegen Sie geltend gemachten Ansprüchen. Aber selbstverständlich stehen wir auch Bewerbern zur Seite, die ihre rechtmäßigen Ansprüche durchsetzen möchten, wenn sie zu Unrecht abgelehnt wurden.