Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach Kündigung
Nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung kommt bei den betroffenen Arbeitnehmern schnell der Gedanke an einen möglichen Annahmeverzug des Arbeitgebers und ihren damit einhergehenden Anspruch auf den sogenannten Annahmeverzugslohn auf. Handlungsbedarf besteht insofern spätestens nach einem gewonnenen Kündigungsschutzprozess des Arbeitnehmers.
Hintergrund ist der, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch der Kündigung unmissverständlich zum Ausdruck bringt, an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers kein Interesse mehr zu haben – und dadurch in den Annahmeverzug hinsichtlich der Arbeitsleistung des Mitarbeiters gerät. Gewinnt der Arbeitnehmer dann den Kündigungsschutzprozess und wird die Kündigung des Arbeitgebers nachträglich für unwirksam erklärt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, den Lohn nachzuzahlen, der dem Arbeitnehmer für den Zeitraum ab Ausspruch der Kündigung entgangen ist. Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach der Arbeitnehmer bei Annahmeverzug des Arbeitgebers trotz Nichterbringung seiner Leistung sein reguläres Gehalt verlangen kann.
Voraussetzungen für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn
Wann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn hat, bestimmt sich im Wesentlichen nach § 615 BGB. Erforderlich sind Leistungsangebot und Leistungsmöglichkeit des Arbeitnehmers sowie die Nichtannahme durch den Arbeitgeber.
Das Leistungsangebot ist jedoch gemäß § 296 BGB entbehrlich, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gekündigt hat und damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er seine Arbeitsleistung nicht mehr annehmen will.
Für die erforderliche Leistungsmöglichkeit (§ 297 BGB) muss überprüft werden, ob der Arbeitnehmer überhaupt wirklich leistungsbereit war. Hierbei ist zwischen der objektiven Leistungsfähigkeit und der subjektiven Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers zu unterscheiden, die während des gesamten Verzugszeitraums beide vorliegen müssen.
Die Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen. Ein tatsächliches Hindernis kann etwa in einer Krankheit des Arbeitnehmers liegen. Klassische Beispiele für ein rechtliches Hindernis sind dagegen das Fehlen der erforderlichen Arbeitserlaubnis, wie die fehlende Approbation des Arztes oder ein gesetzliches Beschäftigungsverbot, so etwa beim Mutterschutz.
Daneben muss der Arbeitnehmer auch leistungswillig sein. Auch wenn das Gesetz diese Voraussetzung nicht nennt, folgt dies daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außerstande setzt, die Arbeitsleistung zu erbringen. Im Gegensatz zur Leistungsfähigkeit ist hier der subjektive Wille des Arbeitnehmers maßgeblich.
Der Arbeitgeber gerät unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die geschuldete Arbeitsleistung aus in seiner Person liegenden Gründen zu bewirken. Ein Risiko für den Arbeitnehmer ergibt sich also, wenn er nicht ausreichend vortragen kann, dass er trotz eines gegenteiligen Anscheins eigentlich leistungsbereit war.
Der Annahmeverzug endet, sobald eine der Voraussetzungen entfällt. In Betracht kommt etwa die Annahme der Leistung durch den Arbeitgeber beziehungsweise die Nachholung der erforderlichen Mitwirkungshandlung. Diese Mitwirkungshandlung kann er unter anderem dadurch umsetzen, dass er vom Arbeitnehmer verlangt, die Arbeit wieder aufzunehmen. Soweit der Arbeitnehmer der Aufforderung dann unberechtigterweise nicht nachkommt, riskiert er seinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn.
In diesem Zusammenhang ist zudem die – rechtlich spannende – Frage im Hinterkopf zu behalten, inwieweit sich der Arbeitnehmer anderweitig erzielten, beziehungsweise böswillig unterlassenen Verdienst auf den Annahmeverzugslohn anrechnen lassen muss.
Urteil des BAG zum erforderlichen Leistungswillen für den Annahmeverzug
Dem Urteil des BAG vom 13.7.2022 (5 AZR 498/21) liegt ein leicht verständlicher Fall zugrunde. Dem Arbeitnehmer wurde mit Schreiben vom 21.6.2017 mit sofortiger Wirkung gekündigt. Mit Schreiben vom 9.8.2017 forderte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf, die Arbeit wieder aufzunehmen. Dieser Aufforderung ist der Arbeitnehmer, ohne hierfür Gründe zu nennen, nicht nachgekommen. Die Kündigung wurde in einem Verfahren vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt. Im Anschluss machte der Kläger dann den Annahmeverzugslohn für den Zeitraum 1.7 bis 9.8.2017 geltend.
Bislang war die Ablehnung der Arbeitsaufforderung ein Indiz für den fehlenden Leistungswillen ab diesem Zeitpunkt. Das BAG hat aber in dem hier gegenständlichen Urteil ausgeführt, dass ein solches Verhalten auch als Indiz für fehlenden Leistungswillen im vorherigen Zeitraum geeignet ist. Kommt der Arbeitnehmer der Arbeitsaufforderung nicht nach, kann es sein, dass auch für die Zeit davor unterstellt wird, dass er gar nicht arbeiten wollte. Insoweit wäre der gesamte Anspruch auf Annahmeverzug gefährdet.
Der Arbeitnehmer muss nach dem Urteil des BAG in solchen Fällen beweisen, warum er zunächst angeblich leistungswillig war, ihm dieser Leistungswille aber unmittelbar nach der Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abhanden kam. Dies dürfte keine leichte Aufgabe sein. Kann er dies nicht beweisen, verliert der Arbeitnehmer unter Umständen auch den Anspruch auf Annahmeverzugslohn, der sich auf den Zeitraum vor der Aufforderung zur Weiterarbeit bezieht.
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