Variable Vergütung aufgrund einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zielvereinbarung
Viele Arbeitnehmer haben zusätzlich zum Grundgehalt die Möglichkeit, eine variable Vergütung zu erhalten. Das wird im Arbeitsvertrag geregelt: meist wird eine bestimmte Bonus-Summe festgelegt, die ein Arbeitnehmer zusätzlich zum Grundgehalt jährlich verdienen kann, wenn er bestimmte Ziele erreicht. Die Ziele selbst sind allerdings im Arbeitsvertrag in der Regel nicht definiert, da es sich um umfangreiche individuelle Aufgaben und Ziele des jeweiligen Mitarbeiters handelt, die sich über die Jahre auch ändern können.
Die Bonus-Regelung im Arbeitsvertrag, wonach dem Arbeitnehmer eine gewisse variable Vergütung bei Zielerreichung zusätzlich gezahlt wird, stellt – wie alle vom Arbeitgeber vorformulierten Klauseln in Arbeitsverträgen – eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar und muss daher gewissen Mindestanforderungen genügen. So muss sie unter anderem transparent und verständlich sein und darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen.
Die Klausel im Arbeitsvertrag regelt aber wie beschrieben meist nicht konkret, welche Ziele erreicht werden müssen, sondern nur, dass bei Zielerreichung ein Anspruch auf variable Vergütung entsteht. Der Arbeitsvertrag muss jedoch zumindest festlegen, ob die Ausgestaltung der jeweiligen Ziele dann im Rahmen einer gemeinschaftlichen Zielvereinbarung oder einer einseitigen Zielvorgabe erfolgt.
Unterschied zwischen Zielvereinbarung und Zielvorgabe
Wichtig ist, die Zielvereinbarung von der sog. Zielvorgabe zu unterscheiden.
Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide der Festlegung von Zielen bezogen auf einen bestimmten Zeitraum dienen.
Ansonsten unterscheiden sich Zielvereinbarung und Zielvorgabe aber deutlich:
- Bei einer Zielvereinbarung werden die Ziele von beiden Seiten einvernehmlich festgelegt. Das bedeutet, Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandeln – in der Regel einmal im Jahr – über die anstehenden Ziele des Mitarbeiters und einigen sich darauf, bei Erreichung welcher Ziele der volle Bonus gezahlt wird. Ist eine Seite mit den vorgeschlagenen Zielen nicht einverstanden und wird in der Folge keine Einigung erreicht, kommt auch keine Zielvereinbarung zustande.
- Eine Zielvorgabe liegt dagegen vor, wenn der Arbeitgeber einseitig die Ziele festlegt, die vom Arbeitnehmer zu erreichen sind. Gemäß § 315 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist eine solche einseitige Bestimmung grundsätzlich möglich, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Festlegung nach „billigem Ermessen“ erfolgt und der Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt wird. Sieht ein Arbeitsvertrag die Möglichkeit einer Zielvorgabe vor, muss diese Klausel transparent und fair gestaltet sein. Ist dies nicht der Fall, ist die Klausel infolge der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unwirksam.
Urteil des BAG zur Verhandlungspflicht bei Zielvereinbarung
In dem vom BAG (Bundesarbeitsgericht) am 3. Juli 2024 entschiedenen Fall lag eine arbeitsvertragliche Klausel vor, wonach der Arbeitnehmer neben seinem festen Gehalt die Möglichkeit hatte, eine variable Vergütung zu erhalten. Hierzu war vorgesehen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer jährlich eine individuelle Zielvereinbarung treffen. Nur für den Fall, dass es zu keiner Einigung über die Ziele kam, behielt sich der Arbeitgeber als Rückfallposition die einseitige Festlegung der Ziele vor.
Da die Parteien mit ihren Vorstellungen hinsichtlich der zu vereinbarenden Ziele auseinander lagen, legte der Arbeitgeber, ohne vorher Gespräche mit dem betroffenen Mitarbeiter zu führen, einseitig bestimmte Ziele fest und zahlte in der Folge keine variable Vergütung, da der Arbeitnehmer die Ziele nicht erreicht hatte. Dieser klagte daraufhin auf Schadensersatz, das BAG gab ihm recht.
In seinem Urteil vom 03.07.2024 stellte das BAG fest, dass der Arbeitgeber durch den Rückgriff auf die einseitige Zielvorgabe schuldhaft seine Pflicht zur Verhandlung einer Zielvereinbarung verletzt habe und sich damit schadensersatzpflichtig gemacht habe. Die Höhe des Schadensersatzes umfasst grundsätzlich den Bonus, der arbeitsvertraglich vorgesehen war für den Fall, dass die Ziele festgelegt und erreicht worden wären.
In dem entschiedenen Fall benachteiligte die zweistufige Regelung im Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG unangemessen, da sie dem Arbeitgeber faktisch ein unbeschränktes Bestimmungsrecht einräumte. Der Arbeitgeber konnte die arbeitsvertragliche Regelung ausnutzen, indem er die eigentlich auf der ersten Stufe vorgesehene Verhandlung einer gemeinschaftlichen Zielvereinbarung verhinderte oder abbrach, um dann auf die zweite Stufe zurückzugreifen und die Ziele einseitig vorzugeben. Eine solche zweistufige Regelung ist daher unwirksam.
Auswirkungen des BAG-Urteils auf Zielvereinbarungen in der Praxis
Die BAG-Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern ermöglichen müssen, an der Festlegung der Ziele mitzuwirken, wenn im Arbeitsvertrag eine Zielvereinbarung vorgesehen ist und nicht ausschließlich eine einseitige Zielvorgabe des Arbeitgebers. Andernfalls drohen den Arbeitgebern Schadensersatzansprüche seitens der Arbeitnehmer.
In den Formulierungen der Arbeitsverträge sollte daher zukünftig klar unterschieden werden, ob eine gemeinsame Zielvereinbarung oder ausschließlich eine einseitige Zielvorgabe durch den Arbeitgeber vorgesehen ist. Ein zweistufiges System wie in dem Fall, der der Entscheidung des BAG zugrunde lag, ist nach Ansicht des BAG unangemessen benachteiligend, da der Arbeitgeber dies ausnutzen kann, um sich einer gemeinsamen Zielvereinbarung zu entziehen und auf die einseitigen Zielvorgaben zurückzugreifen.
Beide Varianten – Zielvereinbarung oder Zielvorgabe – bleiben aber möglich, solange sie nicht in demselben Arbeitsvertrag kombiniert werden. Bei Verträgen, die nur noch die Möglichkeit einer gemeinsamen Zielvereinbarung vorsehen, bleibt dann allerdings offen, was im Falle des Scheiterns der Verhandlungen für die Zielvereinbarung geschehen soll.
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