Was umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers?

Maßgeblich für die Stellung des Arbeitnehmers ist seine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber. Doch was umfasst dieses Weisungsrecht des Arbeitgebers und wo liegen seine Grenzen? Soweit der Arbeitsvertrag nur die Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses umschreibt, so können diese durch das sogenannte Direktionsrecht durch den Arbeitgeber konkretisiert werden. Dies gilt unter anderem für die Zeit, den Ort und die Art der Beschäftigung. Ist der Arbeitnehmer der Auffassung, der Arbeitgeber habe mit einer gewissen Weisung, etwa in Form einer Versetzung, sein Direktionsrecht überschritten und somit eine unbillige Weisung erteilt, so hat er dies nach § 315 Abs.3 S.2 BGB gerichtlich überprüfen zu lassen.

Dabei stellt sich jedoch folgende Frage: Hat der Arbeitnehmer, obwohl er von der Unbilligkeit der Weisung ausgeht, diese bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch die Gerichte zu befolgen?

Dies war unter dem Fünften und dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts umstritten.

Bisher: Arbeitnehmer müssen Folge leisten, bis ein Gericht entscheiden hat

Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts vertrat stets die Auffassung, der Arbeitnehmer habe trotz seiner Zweifel an der Billigkeit der Weisung diese bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Gerichte zu befolgen (vgl. BAG vom 22.02.2012 Az. 5 AZR 249/11). Grundlage dieser vorläufigen Bindung des Arbeitnehmers sei seine das Arbeitsverhältnis prägende Weisungsgebundenheit. Diese Weisungsgebundenheit bestehe solange fort, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht.

Verweigert der Arbeitnehmer nun, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Gerichte, der Weisung Folge zu leisten, so berechtigt dies den Arbeitgeber, arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen, etwa in Form einer Abmahnung bis hin zu einer außerordentlichen Kündigung.

Neue Rechtsprechung: Verweigerungsrecht des Arbeitgebers bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch die Gerichte

Nun hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass dem Arbeitnehmer bereits vor rechtskräftigem Urteil ein Verweigerungsrecht bezüglich der Ausübung einer unbilligen Weisung zukomme. Der Arbeitgeber könne an das Nichtbefolgen auch keine Sanktionen anknüpfen. (vgl. Beschluss vom 14.06.2017; 10 AZR 330/16)

BAG bestätigt Wandel der Rechtsprechung

Da der Zehnte Senat in seiner Rechtsauffassung der gefestigten Rechtsprechung durch den Fünften Senat widersprach, hatte dieser sein Revisionsverfahren bezüglich einer Versetzung zunächst auszusetzen. Im weiteren Verfahren wurde nun der Fünfte Senat nach § 45 Abs. 3 S.1 Arbeitsgerichtsgesetz dahingehend angehört, ob er dennoch an seiner Rechtsauffassung festhält. Im Rahmen seines Anfragebeschlusses erklärte dieser nun, er wolle an seiner bisherigen Rechtansicht nicht mehr festhalten.

Nun steht dem Zehnten Senat der Weg offen, die Unverbindlichkeit der Weisung seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen.

Praktische Bedeutung des Rechtsprechungswandels

Dieser Wandel der Rechtsprechung gibt dem Arbeitnehmer zunächst das Recht, eine vermeintlich unbillige Weisung zu verweigern. Aber Vorsicht: Der Arbeitnehmer trägt das Risiko, dass das Arbeitsgericht im Nachhinein die Weisung schließlich als nicht unbillig einstuft. Sollte sich später im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens herausstellen, dass die Leistungsbestimmung billig war -sprich dem Ermessensspielraum des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts entsprach- so läuft der Arbeitnehmer Gefahr, dass er wegen Arbeitsverweigerung seinen Vergütungsanspruch verliert.

Fazit

Auf Nummer sicher gehen Arbeitnehmer daher nach wie vor, wenn sie Weisung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über deren Unbilligkeit befolgen und so dem Risiko arbeitsrechtlicher Konsequenzen entgehen.

Die Pflicht, ein Weisung zu befolgen, bis ein Arbeitsgericht deren Unbilligkeit festgestellt hat, besteht jedoch nicht mehr.