Ein Sachverhalt – zwei Verfahren: Arbeitsgericht und Strafgericht

In den meisten Fällen beruht sowohl die Kündigung als auch die Strafanzeige auf demselben Lebenssachverhalt. Dennoch handelt es sich grundsätzlich um zwei getrennte Rechtsstreitigkeiten aus unterschiedlichen Rechtsgebieten mit jeweiligen Besonderheiten. 

Für eine Klage gegen die Kündigung in Form einer Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht kann sich der Arbeitnehmer selbst entscheiden und muss diese dann ggf. durch seinen Anwalt bei Gericht einreichen. Insbesondere ist er hier als Kläger verpflichtet, die Tatsachen und entsprechenden Beweise selbst vorzubringen (sog. Beibringungsgrundsatz). Auch kann er als Kläger den Prozess wieder beenden, indem die Klage zurückgenommen wird, oder sich mit dem Arbeitgeber einigen.

Wird gegen den Arbeitnehmer dagegen wegen einer Straftat von der Staatsanwaltschaft ermittelt und es besteht ein hinreichender Tatverdacht, so hat er als Angeklagter bei dem Strafprozess zur Verhandlung zu erscheinen und das Gericht erforscht den Tatbestand selbst (sog. Amtsermittlungsgrundsatz). Allein das Gericht entscheidet über Freispruch oder Verurteilung. 

Der Ausgang der Prozesse ist voneinander unabhängig und die Urteile sind nicht aneinander gebunden. So kann beispielsweise das Strafgericht den Arbeitnehmer von der Straftat freisprechen und das Arbeitsgericht die Kündigung wegen Verdachts einer Straftat für wirksam erklären. Genauso kann das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erklären aufgrund des Fehlens eines Kündigungsgrundes und das Strafgericht dagegen eine Verurteilung aussprechen. Zu unterschiedlichen Ergebnissen können insbesondere die verschiedenen Rechtsmaßstäbe und prozessualen Grundsätze führen, da jedes Rechtsgebiet seine eigenen Besonderheiten und Auslegungen mit sich bringt.

Die Verfahren können also gleich ausgehen, müssen sie aber nicht!

Das arbeitsrechtliche Verfahren bei Kündigung

Steht fest, dass der Arbeitnehmer eine Straftat wie zum Beispiel Diebstahl, Untreue oder Betrug begangen hat, welche im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis geschah, ist der Arbeitgeber zu einer außerordentlichen, also fristlosen und verhaltensbedingten Kündigung nach § 626 I BGB berechtigt. Den nötigen wichtigen Grund für eine solche Tatkündigung stellt dabei das strafbare Verhalten dar. 

Allerdings kann der Arbeitgeber bereits eine außerordentliche Kündigung aussprechen, wenn er nur den Verdacht einer strafbaren Handlung hat. Für diese Verdachtskündigung ist insbesondere die Zwei-Wochen-Frist des § 626 II BGB zu beachten. Die Frist beginnt mit Kenntnis der maßgebenden Tatsachen zu laufen, also auch dem bloßen Verdacht einer Straftat. 

Praxis-Tipp: Bei einer Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erst anhören. Lassen Sie sich als Arbeitnehmer in diesem Fall die Vorwürfe schriftlich geben und antworten Sie auf diese nicht direkt, sondern schriftlich innerhalb einer Woche, am besten nachdem Sie einen Anwalt konsultiert haben. Gerne stehen wir in diesem Fall mit unserer Erfahrung zur Seite.

Das strafrechtliche Verfahren

Bringt der Arbeitgeber ein Verhalten zur Strafanzeige, so beginnt zunächst das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft. Ist ein hinreichender Tatverdacht gegeben, kommt es zur Anklage und das Strafgericht erforscht den Sachverhalt. Hier wird von Amts wegen ermittelt und durch die Ermittlungsbehörden ist häufig eine bessere Sachverhaltsaufklärung und -erforschung gegeben, da weitergehende Ermittlungsmittel (Durchsuchung, Sicherstellung von Foto- oder Videomaterial, Beschlagnahme von Unterlagen, Befragung von Zeugen) zur Verfügung stehen.

Wechselwirkung zwischen arbeitsrechtlichem und strafrechtlichem Verfahren

Obwohl es sich grundsätzlich um zwei unabhängige Verfahren handelt, können diese dennoch sowohl positive als auch negative Auswirkungen aufeinander haben, sodass hier wohlüberlegt vorgegangen werden muss. 

Zum einem kann ein Strafverfahren den Verlauf des Kündigungsschutzprozesses beeinflussen.  Grundsätzlich hat der Arbeitgeber, der nur Anhaltspunkte für einen kündigungsrelevanten Sachverhalt hat, zur Wahrung der 2-Wochen-Frist aus § 626 II BGB alle nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts mit der gebotenen Eile zu ergreifen. Er muss also selbst den Sachverhalt im Rahmen seiner Möglichkeiten erforschen. Jedoch kann nach § 149 I ZPO das Verfahren beim Arbeitsgericht bis zur Entscheidung des Strafgerichts ausgesetzt und danach die Akten des Strafverfahrens beigezogen werden. Hier ist zu beachten, dass die Sachverhaltsaufklärung und die Tatsachen des Strafverfahrens dann übernommen werden. Jedoch steht das Bundesarbeitsgericht (BAG) diesem Vorgehen kritisch gegenüber, da die Fachgerichte nach ihren jeweiligen Maßstäben unabhängig entscheiden sollen. Die höhere Sachnähe und bessere Sachverhaltsaufklärung der Strafverfolgungsbehörden steht hier dem Beschleunigungsgrundsatz und der Prozessförderungspflicht des Kündigungsschutzverfahrens entgegen. 

Zum anderen können sich auch die Prozesshandlungen in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren auf das Strafverfahren auswirken. Einigt sich der Arbeitnehmer beispielsweise vor dem Arbeitsgericht mit dem Arbeitgeber, so besteht die Chance, dass die Staatsanwaltschaft nach § 153 I StPO das Ermittlungsverfahren oder später das Strafgericht gem. § 153 II StPO das Verfahren gegen den Arbeitnehmer als Beschuldigten wegen Geringfügigkeit einstellt – für den Arbeitnehmer ein doppelter Gewinn. Der Arbeitgeber dagegen hat als Geschädigter regelmäßig keine andere Möglichkeit als die Einstellung zu akzeptieren, es steht ihm meist kein Rechtsweg dagegen offen. 

Zwei Verfahren – erfahrene Rechtsanwälte für Arbeitsrecht und Strafrecht in einer Kanzlei

Sollten Sie als Arbeitnehmer eine Kündigung und Strafanzeige durch Ihren Arbeitgeber erhalten haben, ist dringend rechtlicher Beistand anzuraten. Dabei sollten Sie darauf achten, dass Ihr Anwalt Sie in beiden Verfahren betreuen und vertreten kann oder dass im Falle zweier Anwälte diese beiden in Kontakt stehen und sich austauschen, um Widersprüche zu vermeiden. 

Gerne stellen wir Ihnen unsere Expertise auf beiden Rechtsgebieten zur Verfügung, um für Sie eine maßgeschneiderte Strafverteidigung aufzubauen und zugleich gegen Ihre Kündigung vorzugehen. In unserer Kanzlei vereinen wir Fachanwälte für Arbeitsrecht und erfahrene Strafverteidiger. Wenn Sie die Unterstützung eines Anwalts benötigen, können Sie uns jederzeit kontaktieren