Dienstreise, Dienstgang und Wegezeiten – Reisezeiten im Überblick

Der Oberbegriff Reisezeit umfasst neben Dienstreisen auch Dienstgänge und Wegezeiten.
Unter Wegezeiten sind Fahrten zu verstehen, die der Arbeitnehmer von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte im oder außerhalb des Betriebs tätigt. Als Dienstreisen gelten solche Reisetätigkeiten, die ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen vorübergehend außerhalb der normalen Arbeitsstätte tätigt. Im Anschluss an die Dienstreise kehrt er wieder an seinen üblichen Arbeitsplatz zurück. Muss der Arbeitnehmer aufgrund einer Weisung des Vorgesetzten in eine andere Stadt oder gar ein anderes Land, weil er dort eine Aufgabe übernehmen muss, handelt es sich immer um eine Dienstreise.
Abzugrenzen davon sind Dienstgänge, also sehr kurze Strecken, etwa innerhalb der gleichen Stadt. Erst bei größeren Distanzen wird somit der Begriff Dienstreise verwendet. Diese können auch nur einige Stunden dauern, meist dauern sie jedoch mehrere Tage.

Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Nach § 2 Abs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die vorgeschriebenen Ruhezeiten. Sinn und Zweck des ArbZG ist es die Gesundheit von Arbeitnehmern durch nicht zu lange Arbeitszeiten zu schützen. Deshalb dürfen Arbeitnehmer in der Regel maximal 10 Stunden am Stück arbeiten, dies gilt auch bei Reisezeiten. Somit erfolgt die Einstufung als Arbeitszeit i.S.d. ArbZG unabhängig von der Vergütung, da sich diese vorrangig nach dem Arbeitsvertrag richtet.

Wegezeiten zur Arbeit regelmäßig keine Arbeitszeit

Bei Arbeitnehmern mit festem Dienstort gelten Wegezeiten von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück nicht als Arbeitszeit nach dem ArbZG. Der Arbeitsweg liegt in der privaten Sphäre des Arbeitnehmers, er weist rechtlich keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Arbeit auf.

Ausnahme: Wegezeiten für Außendienstmitarbeiter

Etwas anderes gilt für Arbeitnehmer, die keine fest zugewiesene Arbeitsstätte haben, also insbesondere Außendienstmitarbeiter. Diese können die geschuldete Hauptleistung nicht ohne Reisetätigkeit erfüllen, deshalb sind Wegezeiten dann immer als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG zu werten. Als Arbeitszeit gilt nicht nur die Fahrt von einem Kunden zum nächsten, sondern auch die erste Fahrt vom Betrieb oder – im Falle von Home Office - von daheim zum Kunden und die letzte Fahrt vom Kunden zum Betrieb bzw. nach Hause.

Was gilt bei Dienstreisen?

Anders als Wegezeiten sind Dienstreisen dienstlich veranlasst. Die Reisezeit selbst ist nicht die Hauptleistung, sondern das Arbeiten vor Ort am Dienstort. Deshalb ist diese Arbeit vor Ort als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG einzuordnen. Aufenthaltszeiten vor Ort sind dagegen als Ruhezeit zu werten, es sei denn es wurde vom Arbeitgeber Arbeit angeordnet. So sind die Übernachtung in einem Hotel vor Ort oder das Abendessen nach einer auswärtigen Besprechung keine Arbeitszeit.
Schwieriger ist die Einordnung der An- und Abreise, also die Reisezeit zum Dienstort. Zunächst ist zu unterscheiden, ob die Dienstfahrt während oder außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfindet.

Dienstreise während oder außerhalb der Arbeitszeit                                

Erfolgt die Dienstreise während der Arbeitszeit, zählen Fahrten (Auto, Flug- oder Zugfahrt) als Arbeitszeit – auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet.
Außerhalb der regulären Arbeitszeit kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer nach Weisung des Arbeitgebers während der Fahrt arbeiten muss und ob er von der Arbeit „beansprucht“ wird, was wiederrum vom Fortbewegungsmittel abhängt.
Erledigt der Arbeitnehmer während einer Fahrt Arbeit, die der Arbeitgeber angeordnet hat, liegt unstreitig Arbeitszeit im Sinne des ArbZG vor.
Fehlt eine ausdrückliche Weisung des Arbeitgebers, wendet das Bundesarbeitsgericht die sogenannte Beanspruchungstheorie an. Nach dieser Rechtsprechung gelten Fahrten auch dann als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer während der Fahrt im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers „beansprucht“ wird. Der Arbeitnehmer muss also währenddessen in einem Umfang beansprucht werden, der eine Einordnung als Arbeitszeit erfordert.

Maßgeblich: Art des Fortbewegungsmittels

Nach den Grundsätzen des BAG kommt es maßgeblich auf das Fortbewegungsmittel an:

  • Schreibt der Arbeitgeber die Fahrt mit dem Pkw vor, so zählt die Fahrzeit für den lenkenden Fahrer als Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer muss sich durchgehend auf den Verkehr konzentrieren, sodass die Erholungsmöglichkeit fehlt. Zu beachten ist jedoch, dass dies nicht für den nur mitfahrenden Beifahrer im selben Fahrzeug gilt.
  • Sieht der Arbeitgeber die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln vor und kann der Arbeitnehmer - mangels Weisung - über die Zeit frei verfügen, ist die Fahrt als Ruhezeit anzusehen. Dann hat er die Möglichkeit zur Erholung. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer während der Fahrt freiwillig arbeitet. (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.07.2006, 9 AZR 519/05)
  • Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl des Fortbewegungsmittels, liegt keine Arbeitszeit, sondern Ruhezeit vor, da der Arbeitnehmer zumindest theoretisch die Möglichkeit hatte, sich auszuruhen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber öffentliche Verkehrsmittel zur Fortbewegung vorschreibt, der Arbeitnehmer allerdings lieber einen Pkw nutzt.

Wenn der Arbeitnehmer von daheim die Dienstreise antritt oder direkt nach Hause fährt, ohne vorher an den regelmäßigen Arbeitsort zu fahren, ist von der Reisezeit jedoch die Zeit abzuziehen, die er üblicherweise für den Weg zur bzw. von der Arbeit nach Hause benötigt.

Wann sind Reisezeiten zu vergüten?

Ob Reisezeiten zu vergüten sind, richtet sich primär nach den Regelungen im Arbeitsvertrag, in einem Tarifvertrag oder den betrieblichen Regelungen. Nach § 611a Abs. 2 BGB sind Reisezeiten zu vergüten, wenn sie während betriebsüblicher Arbeitszeiten stattfinden und/oder zur Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers gehören. Das ist der Fall, wenn,

  • das Fahren die Hauptleistungspflicht ist, wie zum Beispiel bei Berufskraftfahrern
  • das Fahren der Durchführung der Hauptleistungspflicht dient, wie bei Handelsvertretern oder
  • der Arbeitnehmer während der Dienstfahrt seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht erfüllt (z.B. Vorbereitung des anstehenden Termins, Beantwortung von geschäftlichen E-Mails während einer Bahnfahrt)

Gehört die Reisezeit nicht zu Hauptleitung, ist § 612 Abs. 1 BGB Anspruchsgrundlage für die Vergütung von Reisezeiten. Danach gilt „eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“ Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, Reisezeiten fallen nicht immer darunter. Vor allem bei Führungskräften und/oder wenn das Gehalt des Arbeitnehmers deutlich oberhalb der allgemeinen durchschnittlichen Bezahlung der übrigen Beschäftigten liegt, kann eine Vergütungspflicht ausscheiden. Es fehlt an der notwendigen Vergütungserwartung.

Nach neuerer BAG Rechtsprechung ist zu beachten, dass der Arbeitgeber nur die „erforderlichen“ Reisezeiten zu bezahlen hat. Bei einer Flugreise ist dies grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Direkt-Flug in der Economy-Class anfalle (BAG Urteil vom 17.10.2018, 5 AZR 553/17).

Fazit

Die Frage, was als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne gilt und was davon zu vergüten ist, ist nicht einfach zu beantworten. Als Arbeitgeber empfiehlt es sich deshalb eindeutige vertragliche oder kollektive Regelungen dazu zu treffen. Da es dabei viele gesetzliche Regelungen gibt, von denen auch beispielsweise in einem Arbeitsvertrag nicht abgewichen werden darf, empfiehlt es sich, hierzu einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren. Als eine auf Arbeitsrecht spezialisierte Kanzlei sind wir Ihnen gerne bei sämtlichen Fragen und Anliegen behilflich.