Ausgangsfall: Mitarbeiter reicht passgenaue Krankschreibung nach eigener Kündigung ein

In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Mitarbeiter selbst die Kündigung beim Arbeitgeber eingereicht. Am Tag nach der Übergabe der Kündigung ging der Mitarbeiter zu seinem Hausarzt und ließ sich in der Folge genau für den Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfrist krankschreiben. Im Endeffekt musste er also ab dem Tag der Abgabe seiner Kündigung für den verbleibenden Zeitraum der Kündigungsfrist – im vorliegenden Fall war dies rund ein Monat – nicht mehr in die Arbeit kommen. Der Arbeitgeber zweifelte daraufhin die vom Mitarbeiter vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an und zahlte ihm für den Zeitraum der Krankschreibung keine Entgeltfortzahlung. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschied nun, dass der Arbeitgeber im Recht war und keine Lohnfortzahlung leisten musste.

Grundsätzlich Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung während Krankschreibung

Der Arbeitnehmer hat im Fall einer von ihm unverschuldeten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich einen Anspruch auf bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber gem. § 3 EFZG. Normalerweise zahlt der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung nach Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitnehmer automatisch. 

Falls der Arbeitgeber jedoch die Krankheit aufgrund besonderer Umstände anzweifelt und in Frage stellt, ob er wirklich zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, obliegt es dem Arbeitnehmer, die Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen (sogenannte Darlegungs- und Beweislast). Das Gesetz sieht für den Regelfall den Beweis der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Sinne von § 5 EZFG vor. Dieser AU kommt insofern ein hoher Beweiswert zu, welcher allerdings unter bestimmten Umständen trotzdem angezweifelt werden kann. 

Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) kann erschüttert werden

Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert werden, wenn es dem Arbeitgeber im nächsten Schritt gelingt, Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung des Arbeitnehmers zulassen.

Genau dies ist bei einer Deckungsgleichheit der Arbeitsunfähigkeit mit der Dauer der Kündigungsfrist – unabhängig davon, ob die Kündigung durch Arbeitnehmer oder Arbeitgeber erfolgt ist – der Fall. Durch die passgenaue Krankschreibung können ernsthafte Zweifel des Arbeitgebers an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters entstehen. Irrelevant ist dabei, ob die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Dauer der Kündigungsfrist in einer oder in mehreren aufeinander folgenden Bescheinigungen erfolgt. 

Folge des erschütterten Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Dem Zweifel des Arbeitgebers an dem Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der Arbeitnehmer durch Vorbringen und gegebenenfalls Beweis konkreter Tatsachen einer tatsächlichen Erkrankung entgegengetreten. Erforderlich ist ein detaillierter Vortrag des Arbeitnehmers über die Umstände der Erkrankung, zum Beispiel mit Informationen zur Art der Krankheit und den daraus resultierenden gesundheitlichen Einschränkungen, sowie ärztlich verschriebener Medikamente und Verhaltensmaßregeln. Diese sogenannte Darlegungspflicht erstreckt sich über den gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und muss auch den Zusammenhang zwischen Erkrankung und dadurch verursachter Arbeitsunfähigkeit aufzeigen. 

Aktuelle Rechtsprechung zur Beweiskraft der passgenauen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat im oben dargestellten Urteil (Az.: 5 Sa 98/23) den einfachen Beweis der Arbeitsunfähigkeit durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgelehnt, da die vom Arbeitgeber dargelegten Umstände – nämlich die passgenaue Krankschreibung vom Tag nach Einreichung der Kündigung bis zum Ende der Kündigungsfrist – Zweifel an dem tatsächlichen Bestehen der Arbeitsunfähigkeit zuließen. 

Da in der Folge der betroffene Arbeitnehmer nicht überzeugend genug zu der angeblichen  Erkrankung und der daraus folgenden Arbeitsunfähigkeit Stellung bezog, gab das Gericht dem Arbeitgeber in diesem Fall Recht und entschied, dass dieser für den relevanten Zeitraum keine Entgeltfortzahlung an den Mitarbeiter leisten musste. 

Bei dieser Entscheidung ist auch ins Gewicht gefallen, dass der auf Lohnfortzahlung klagende Arbeitnehmer unmittelbar im Anschluss an die Kündigungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis begonnen hat. Dass die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit erst einen Tag nach der Kündigungsfrist endete, hatte vor Gericht hingegen keinen Einfluss auf die Annahme der Passgenauigkeit der Krankschreibung. 

Beratung für Arbeitgeber zum Thema Krankschreibung und Entgeltfortzahlung

Wenn Sie sich als Arbeitgeber fragen, ob Sie einem Arbeitnehmer während dessen Krankschreibung Lohnfortzahlung leisten müssen, beraten unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht Sie gerne in Ihrem individuellen Fall. Kontaktieren Sie uns hierzu unkompliziert für eine Terminvereinbarung.

Falls Sie ganz allgemein mehr über die Rechte eines Arbeitgebers in diesem Bereich erfahren möchten, so bieten wir auch Schulungen für Arbeitgeber an.