Fristen für die Anhörung

Dass der Arbeitnehmer angehört werden muss, bevor eine Verdachtskündigung gegen ihn ausgesprochen wird, ist selbstverständlich. Anderenfalls hätte er von vornherein keine Chance, sich zu verteidigen. Wenn es allerdings um Einzelheiten der Anhörung geht, wird es schwierig. Hierzu gehört zum Beispiel die Frage, wie viel Zeit dem Arbeitnehmer eingeräumt werden muss, um eine Stellungnahme abzugeben. Aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Urteil vom 13. April 2018, Az. 3 Sa 398/17) geht jedenfalls hervor, dass diese Frist im Zweifel eher großzügig anzusetzen ist.                                

Im Streitfall ging es um einen Arbeitnehmer, gegen den der Verdacht des Datenmissbrauchs bestand. Der Arbeitnehmer war erkrankt und hielt sich deshalb zu Hause auf. Ihm ging an einem Donnerstag ein Anhörungsschreiben seines Arbeitgebers zu. Die Frist für die Stellungnahme setzte der Arbeitgeber auf den folgenden Montag um 13 Uhr. Eindeutig zu kurz – urteilten die Kieler Richter. Diese Frist sei „in jeder Hinsicht“ zu knapp angesetzt worden. Zudem habe der Arbeitgeber auch den Rechtsanwalt des Arbeitnehmers nicht über die Aufforderung zur Stellungnahme informiert, obwohl sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits seit einiger Zeit in Rechtsstreitigkeiten befanden, bei denen sich der Arbeitnehmer anwaltlich vertreten ließ.

Anhörung muss nicht als solche bezeichnet werden

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Fall, in dem es um den Verdacht der Unterschlagung einer beträchtlichen Geldsumme ging, die formalen Anforderungen an eine Anhörung gelockert (Urteil vom 25. April 2018, Az. 2 AZR 611/17). So sei eine ausdrückliche Klarstellung, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einem Verdacht hört, überflüssig. Es reiche aus, wenn der Arbeitnehmer in dem Gespräch erkennt ,

  • um welchen Sachverhalt es geht,
  • dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer möglicherweise für verantwortlich hält
  • und dass die Möglichkeit einer Stellungnahme besteht.

In einer früheren Entscheidung (Urteil vom 12. Februar 2015, Az. 6 AZR 845/13) hatte das BAG bereits ähnlich entschieden. So sei es nicht wie im Strafprozessrecht erforderlich, den verdächtigten Arbeitnehmer vor der Anhörung über den beabsichtigten Inhalt des Gesprächs zu informieren.

Fazit

Das Bundesarbeitsgericht orientiert sich mit seinen „weichen“ Regeln über die Umstände einer Anhörung bei einer Verdachtskündigung vor allem an den Realitäten eines Arbeitsverhältnisses. Zwar muss jedem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben werden, zu Vorwürfen Stellung zu nehmen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Doch eine Orientierung dieses Rechts an den im Strafverfahren geltenden Belehrungspflichten würde faktisch die Möglichkeit einer Verdachtskündigung auch in schwerwiegenden Fällen aushebeln. Ein allzu strenger Maßstab für die Anhörung zu einem Vorwurf wäre zudem für das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht förderlich.