Schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Ziel des besonderen Kündigungsschutzes ist nicht, Schwerbehinderte besser zu stellen als andere Arbeitnehmer. Es geht stattdessen darum, eine Schlechterstellung zu verhindern, also eine Diskriminierung aufgrund der Behinderung. Das Inklusionsamt – wir kommen auf das genaue Verfahren noch zurück – prüft also primär, ob die Kündigung in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht. Ist dies nicht der Fall, gilt grundsätzlich derselbe Kündigungsschutz wie für nicht behinderte Arbeitnehmer.
Für wen gilt der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte?
Unter den besonderen Schutz fallen schwerbehinderte Menschen, deren GdB mindestens 50 beträgt. Außerdem Schwerbehinderte mit einem GdB von mindestens 30, sofern sie durch die Bundesagentur für Arbeit einem Schwerbehinderten gleichgestellt sind. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob die Schwerbehinderung bei der Einstellung schon vorlag. Nichts ändert sich auch dann, wenn die Schwerbehinderung bei der Einstellung verschwiegen wurde, weil der Arbeitgeber nicht danach gefragt hat. Ein arbeitsrechtliches Thema für sich ist die Frage, welche Folgen es hat, wenn der Arbeitnehmer bei der Einstellung die Frage nach einer Behinderung wahrheitswidrig verneint. Dies kann in der Tat eine Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber aufgrund der konkreten Tätigkeit begründen kann, warum der Arbeitnehmer aufgrund seiner Behinderung für diesen Arbeitsplatz nicht infrage gekommen wäre, wenn er wahrheitsgemäß geantwortet hätte. Wenn es dafür aber keine wirklich überzeugenden Argumente gibt, setzt sich der Arbeitgeber einem hohen Risiko einer Schadensersatzklage wegen Diskriminierung aus, wenn er die Frage nach einer Behinderung stellt.
Räumen wir mit ein paar Mythen auf!
Mythos Nummer eins lautet, dass man schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz erproben könne wie alle anderen Arbeitnehmer, weil sie vom ersten Tag an unkündbar sind. Dazu ist festzustellen, dass erstens auch Schwerbehinderte nie unkündbar sind und dass zweitens auch Schwerbehinderte in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ohne Begründung gekündigt werden können. Hier gilt nicht nur kein besonderer Kündigungsschutz, sondern überhaupt kein Kündigungsschutz. Ebenso falsch ist das Gerücht, Schwerbehinderte hätten auch nach Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Natürlich läuft auch ein befristeter Vertrag eines schwerbehinderten Arbeitnehmers einfach aus, wie jeder andere auch.
Das Zustimmungsverfahren vor dem Inklusionsamt
Vor der Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Inklusionsamtes einholen. Diese Pflicht besteht auch für Kleinbetriebe, in denen das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt. Tut er dies nicht, ist die Kündigung allein schon aus diesem Grund unwirksam, doch Vorsicht, auch in diesem Falle muss die Kündigung innerhalb der Dreiwochenfrist vor einem Arbeitsgericht angegriffen weren. Ruft der Arbeitgeber das Inklusionsamt an, wird dieses dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Die Zustimmungspflicht gilt auch für außerordentliche Kündigungen, also insbesondere auch für verhaltensbedingte Kündigungen. Üblich ist in solchen Fällen, neben der außerordentlichen Kündigung auch hilfsweise eine ordentliche Kündigung für den Fall auszusprechen, dass die außerordentliche Kündigung einer arbeitsgerichtlichen Prüfung nicht standhält. In diesem Fall muss die Zustimmung des Inklusionsamtes für beide Kündigungen eingeholt werden. Wichtig ist, die Zustimmung des Inklusionsamtes nicht als Entscheidung über die arbeitsrechtliche Wirksamkeit einer Kündigung zu interpretieren - dafür sind nur die Arbeitsgerichte zuständig. Das Inklusionsamt prüft nämlich nicht die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung, sondern nur ob die Kündigung gerade wegen der Schwerbehinderung ausgesprochen wurde oder ganz offensichtlich unwirksam ist (was selten vorkommt). Es ist also durchaus denkbar, dass das Inklusionsamt die Zustimmung z.B. zu einer verhaltensbedingten Kündigung erteilt, weil diese nicht wegen der Schwerbehinderung ausgesprochen wurde, das Arbeitsgericht die Kündigung aber als unwirksam zurückweißt, da die angeblichen verhaltensbedingten Gründen nicht bewiesen werden können oder nicht schwer genug wiegen. Regelmäßig wird das Zustimmungsverfahren vor dem Inklusionsamt auf beiden Seiten von Rechtsanwälten begleitet. Hier wird oft bereits ein intensiver Rechtsstreit über die Frage geführt, ob die Kündigung in Wirklichkeit wegen der Schwerbehinderung ausgesprochen wurde oder nicht.
Klage gegen Zustimmung des Inklusionsamtes
Anzumerken ist zunächst, dass die Entscheidung des Inklusionsamtes wie jede Verwaltungsentscheidung gerichtlich überprüft werden kann. Allerdings ist hier das Verwaltungsgericht zuständig, da die Entscheidung einer Behörde angegriffen wird. Klagt der Arbeitnehmer gegen eine erteilte Zustimmung, hat diese aber keine aufschiebende Wirkung, die Kündigung kann also ausgesprochen werden. Oftmals laufen dann das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht und die Klage gegen die Zustimmung vor dem Verwaltungsgericht parallel.
Ab wann gilt der besondere Kündigungsschutz
Damit der Kündigungsschutz greift, muss der Antrag auf Schwerbehinderung (oder der auf Gleichstellung) mindestens drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung beim Inklusionsamt gestellt werden. Der Arbeitnehmer darf zudem die Entscheidung des Inklusionsamtes nicht durch fehlende Mitwirkung verzögern, da dann der besondere Kündigungsschutz versagt wird (§§ 173 Abs. 3, 152 Abs. 1 Satz 3 SGB IX).
Wann sollte dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung mitgeteilt werden?
Der besondere Kündigungsschutz besteht auch, wenn der Arbeitgeber erst nach der Kündigung von der Schwerbehinderung erfährt. Er muss aber unbedingt spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung über die Schwerbehinderung informiert werden. Vorsicht: die fristwahrende Einlegung der Kündigungsschutzklage kann zu spät sein, wenn der Arbeitsgeber erst durch die Klage von der Schwerbehinderung erfährt und die Klage dem Arbeitgeber vom Gericht nach Ablauf der drei Wochen zugestellt wird. Es empfiehlt sich also unbedingt in jedem Fall immer den Arbeitgeber unabhängig von Klageerhebung sofort nach Zugang der Kündigung von der Schwerbehinderung in Kenntnis zusetzen. Die reine in Kenntnis Setzung allein macht die Kündigung jedoch auch wiederum nicht unwirksam. Also muss der Arbeitgeber rechtzeitig informiert und die Kündigung auch rechtzeitig gerichtlich angegriffen werden.
Was können wir für Sie tun:
bei dem Zustimmungsverfahren vor dem Inklusionsamt wie auch im darauf folgenden Kündigungsschutzprozess sollten Sie sowohl als Arbeitnehmer wie auch als Arbeitgeber einen Fachanwalt für Arbeitsrecht an ihrer Seite haben, der sie auf den vielen Unwägbarkeiten dieser komplexen Materie unterstützt. Hier sind wir gerne für Sie da!