Drei formale Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung
Bei einer Abmahnung handelt es sich um eine Maßnahme des Arbeitgebers, mit welcher er den Arbeitnehmer auf ein Fehlverhalten hinweisen kann. Sie ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wird aber beispielsweise in § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) als Vorstufe für eine Kündigung angegeben. Da für die Abmahnung keine festgelegte Form besteht, kann diese auch mündlich erfolgen. Die Rechtsprechung hat jedoch Mindestanforderungen entwickelt, welche für die Wirksamkeit einer Abmahnung einzuhalten sind. Eine Abmahnung muss daher folgende Bestandteile enthalten:
- Zunächst muss das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers genau beschrieben werden. Das heißt, es muss das Datum, am besten sogar die Uhrzeit sowie der genaue Ablauf der Situation geschildert werden, damit der Mitarbeiter überhaupt weiß, welches Verhalten konkret beanstandet wird (sog. Hinweisfunktion)
- Außerdem muss der Arbeitnehmer explizit aufgefordert werden, das gerügte Verhalten zu ändern. Es muss eindeutig klar gemacht werden, dass der Arbeitgeber das konkrete Verhalten nicht noch einmal duldet (sog. Rügefunktion)
- Schließlich muss die Abmahnung auch eine Ankündigung der Rechtsfolgen für den Fall der Wiederholung – nämlich eine drohende verhaltensbedingte Kündigung – enthalten. So soll der Arbeitnehmer auf die Konsequenzen dieses kritisierten Verhaltens aufmerksam gemacht werden (sog. Warnfunktion).
Für den Fall, dass diese drei Anforderungen nicht eingehalten werden, ist die Abmahnung schon aus formalen Gründen unwirksam.
Abmahnung wegen Krankheit rechtlich nur in bestimmten Fällen möglich
Eine Abmahnung ausschließlich aufgrund der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer erkrankt ist – auch wenn dies häufiger oder für längere Zeiträume passiert – ist grundsätzlich jedenfalls dann nicht möglich, wenn er nicht selbst zu seiner Krankheit beiträgt. Wie oben gezeigt, soll eine Abmahnung dazu dienen, einen Arbeitnehmer auf fehlerhaftes Verhalten hinzuweisen und ihm die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu ändern. Für eine Erkrankung kann jedoch niemand etwas, und da es sich nicht um ein absichtliches Verhalten handelt, ist es auch nicht möglich, dies willentlich zu ändern. Damit verfehlt hier eine Abmahnung vollkommen den Zweck, eine steuerbare Verhaltensänderung zu bewirken, und ist daher unzulässig.
Anders liegt der Fall, wenn eine Krankheit nur vorgetäuscht wird, um „blau zu machen“. Erwischt der Arbeitgeber einen dabei, wie man trotz Krankmeldung einer Aktivität nachgeht, die offensichtlich zu der behaupteten Krankheit in Widerspruch steht, ist mindestens eine Abmahnung gerechtfertigt – oft sogar direkt die Kündigung, auch ohne vorherige Abmahnung. Allerdings sind diese Fälle eher selten, da der Arbeitgeber in der Regel nicht weiß, wegen welcher Erkrankung der Mitarbeiter sich krankgemeldet hat und daher auch nicht beurteilen kann, welche privaten Aktivitäten möglich sind oder nicht.
Eine weitere Fallgruppe, in der eine Abmahnung und sogar eine Kündigung in der Regel möglich sind, ist das Ankündigen einer Krankheit. Wenn ein Arbeitnehmer zum Beispiel nach einem Konflikt in der Arbeit zu den Kollegen sagt, er werde dann nächste Woche einfach krank sein, stellt dies ein vorwerfbares Verhalten dar. Denn es geht hier gerade nicht um eine Krankheit als solche, sondern um die eigenverantwortliche Handlungsweise, eine zukünftige Krankheit – die offensichtlich nicht vorliegt – als Druckmittel zu verwenden, um sich dadurch seinen arbeitsvertraglichen Pflichten zu entziehen.
Abmahnung bei verspäteter Krankmeldung oder fehlender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die häufigsten Fälle einer Abmahnung im Zusammenhang mit einer Erkrankung bestehen jedoch darin, dass sich der Arbeitnehmer verspätet krankmeldet oder seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verspätet oder gar nicht beim Arbeitgeber abgibt.
Dabei handelt es sich streng genommen um zwei verschiedene Fallgruppen. Der Arbeitnehmer hat zum einen die Pflicht, seinem Arbeitgeber rechtzeitig – also noch vor Arbeitsbeginn – Bescheid zu geben, dass er arbeitsunfähig ist und sich krankmeldet (sog. Anzeigepflicht). Zum anderen muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit ab einem gewissen Zeitpunkt auch beweisen können; dies erfolgt mittels einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (sog. Nachweispflicht).
Wann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen ist, wird üblicherweise im Arbeitsvertrag geregelt. Wenn keine spezielle Regelung besteht, gilt § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz): Danach ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert, spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine Bescheinigung über das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen. Mit der Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) zum 1. Januar 2023 ist die Gefahr der verspäteten oder fehlenden Abgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung jedoch für Arbeitnehmer, welche bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, beseitigt worden. Nunmehr wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers direkt elektronisch durch die Krankenkassen an den Arbeitgeber übermittelt. Eine Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entfällt damit für den gesetzlich versicherten Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1a EFZG.
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entbindet den Arbeitnehmer jedoch nicht von seiner Pflicht zur rechtzeitigen Krankmeldung beim Arbeitgeber, der sog. Anzeigepflicht. Die Krankmeldung muss nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG „unverzüglich“ erfolgen. Arbeitnehmer sollten daher nicht dem Irrtum unterliegen, dass sie von der Pflicht zur unverzüglichen Krankmeldung beim Arbeitgeber durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung befreit wären. Vielmehr müssen sie nach dem Besuch beim Arzt dem Arbeitgeber auch noch die voraussichtliche Dauer der festgestellten Arbeitsunfähigkeit mitteilen. Erst wenn der Arbeitgeber diese Daten vom Arbeitnehmer mitgeteilt bekommen hat, darf und kann er die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abrufen. Nachdem das viele Arbeitnehmer gar nicht wissen, liegt hier die größte Gefahr für eine Abmahnung im Zusammenhang mit einer Erkrankung.
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