Fast 10 Millionen Menschen in Deutschland trinken regelmäßig zu viel Alkohol. Auch die Arbeitswelt ist von diesem Problem betroffen. Bei der Frage einer Kündigung kommt es entscheidend darauf an, ob der Betroffene seinen Alkoholkonsum noch kontrollieren kann oder nicht. Bei einer Abhängigkeit liegt eine Krankheit vor – und die Anforderungen an die Begründung einer Kündigung sind in diesem Fall sehr hoch.
Verhaltensbedingte Kündigung bei alkoholbedingten Ausfällen?
Eine verhaltensbedingte Kündigung aufgrund von Ausfällen, die auf Alkoholgenuss zurückzuführen sind, kommt nur dann infrage, wenn keine Alkoholabhängigkeit vorliegt. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer nämlich noch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Weil er verpflichtet ist, seine Arbeitsfähigkeit durch Alkoholkonsum nicht zu beeinträchtigen, liegt bei einem Zuwiderhandeln ein schuldhafter Verstoß vor. Abmahnungen und eine verhaltensbedingte Kündigung sind dann möglich. Wenn der Arbeitnehmer bestreitet, alkoholabhängig zu sein, können einzelne Verstöße, die wirksam abgemahnt werden, die Grundlage für eine wirksame Kündigung bereiten. Im Wiederholungsfall ist dann der Weg für eine verhaltensbedingte Kündigung frei.
Alkoholabhängigkeit schließt Verschulden aus
Anders ist es, wenn eine physische oder psychische Alkoholabhängigkeit vorliegt. Denn Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Bei einer echten Alkoholsucht verliert der Betroffene die Kontrolle über sein Verhalten. Kontrollverlust schließt ein Verschulden aus. Deshalb kommt eine verhaltensbedingte Kündigung nur selten infrage. Das gilt in der Regel sogar dann, wenn der Betroffene wiederholt zu spät zur Arbeit erscheint oder wenn es immer wieder zu anderen alkoholbedingten Ausfällen kommt und der Arbeitgeber diese Verstöße abmahnt. Bei Alkoholismus gelten die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung aufgrund einer Krankheit.
Die Arbeitsgerichte stellen an die Wirksamkeit einer solchen personenbedingten Kündigung hohe Anforderungen. Auch die soziale Verantwortung des Arbeitgebers spielt hier eine Rolle. Er muss seiner Fürsorgepflicht nachkommen und den Arbeitnehmer dabei unterstützen, von der Sucht loszukommen. So ist es in der Regel zumutbar, dass der Arbeitgeber zunächst abwartet, ob eine Therapie erfolgreich ist. Erst wenn sich diese Bemühungen als vergeblich herausstellen und die Interessen des Betriebs als Ganzen schwerer wiegen als die Fürsorgepflicht gegenüber dem Einzelnen, kann eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.
Voraussetzungen für eine Kündigung aufgrund von Alkoholabhängigkeit
Folgende Fragen entscheiden darüber, ob eine Kündigung bei einer bestehenden Alkoholabhängigkeit gerechtfertigt sein kann:
- Kam es bei der Arbeit häufiger zu Ausfällen, die auf die Alkoholerkrankung zurückzuführen sind?
- Besteht die Alkoholabhängigkeit schon seit längerer Zeit?
- Hat sich der Arbeitgeber ernsthaft bemüht, dem Arbeitnehmer zu helfen? Hierzu gehört auch ein betriebliches Einigungsmanagement im Sinne von § 167 Abs. 2 SGB IX.
- Sieht die Prognose negativ aus?
Wenn diese vier Punkte zutreffen, ist der Weg für eine personenbedingte Kündigung aufgrund einer Alkoholkrankheit grundsätzlich frei. Eine Abmahnung ist bei dieser Art der Kündigung nicht erforderlich. Jedoch kann der Arbeitgeber unter Umständen verpflichtet sein, vor der Entlassung zu prüfen, ob es für den Betroffenen noch andere Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb des Betriebs gibt.
Soziale Verantwortung und betriebliche Interessen
Das Dilemma einer personenbedingten Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit liegt auf der Hand: Einerseits besteht eine große Gefahr, dass sich die Abhängigkeit des Betroffenen durch den Arbeitsplatzverlust verschärft. Entlassen wegen Alkoholismus – für viele ist das der letzte Schritt in die Hoffnungslosigkeit. Andererseits ist irgendwann ein Punkt erreicht, an dem der Arbeitnehmer zum Risiko für den gesamten Betrieb wird. Wenn eine Therapie aussichtslos erscheint, wird eine Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar. Entsprechendes gilt selbstverständlich auch für die Abhängigkeit von anderen Drogen oder Medikamenten.