1. Unterrichtungspflicht bei Bewerbern mit Schwerbehinderung

Wenn eine Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen eingeht, ist der Arbeitgeber gem. § 95 II 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung und die betriebliche Interessenvertretung (also den Betriebs- oder Personalrat) zu informieren.

Dies gilt natürlich nur, soweit solche Vertretungen existieren. Eine Schwerbehindertenvertretung wird in Betrieben gewählt, in denen mindestens fünf (schwer-)behinderte Personen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind. Nach § 95 I 1 SGB IX ist es u. a. Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb zu fördern. Dafür ist die Schwerbehindertenvertretung von Anfang an in das Auswahlverfahren einzubeziehen, um den Schutz vor Benachteiligung im Bewerbungsverfahren zu gewährleisten. Dazu steht ihr das Recht auf Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen und das Recht auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen zu.

Die Mitteilung des Arbeitgebers an diese Stellen muss unverzüglich nach Eingang der Bewerbung erfolgen. Unterbleibt die Meldung, wird nach der Rechtsprechung vermutet, dass die Absage gegenüber dem schwerbehinderten Bewerber aufgrund der Schwerbehinderung erfolgt ist. Diese vermutete Diskriminierung kann einen Schadensersatzanspruch des Bewerbers auslösen, wenn sie nicht widerlegt werden kann.

2. Schwerbehinderte Arbeitnehmer: Keine Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch

Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Einladung zum Vorstellungsgespräch einer schwerbehinderten Person infolge ihrer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht. Ausgenommen hiervon sind lediglich öffentliche Arbeitgeber. Diese müssen gemäß § 165 I 3 SGB IX den schwerbehinderten Bewerber zum Gespräch einladen, es sei denn, er ist für die fragliche Stelle offen-sichtlich fachlich ungeeignet. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings entscheiden, dass ein Verstoß gegen die Einladungspflicht nicht automatisch zu einer Entschädigungspflicht führt.  Ein Verstoß kann auch hier nur die Vermutung gemäß § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) begründen, dass der erfolglose Bewerber eine unmittelbare Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat. Diese Vermutung kann durch den öffentlichen Arbeitgeber allerdings widerlegt werden. Gelingt das jedoch nicht, droht eine Schadensersatzforderung des Betroffenen.

3. Fragerecht des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung

Sollte es zu einem Vorstellungsgespräch kommen, ohne dass die Schwerbehinderteneigenschaft offenbart ist, stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber nach einer (Schwer)Behinderung eines Bewerbers fragen dürfen.

Arbeitgeber haben zwar ein Interesse daran, vor einer Einstellung möglichst viel über den möglichen neuen Arbeitnehmer zu erfahren. Doch sind dem Informationswunsch des Arbeitgebers Grenzen gesetzt. Ein Fragerecht wird nur insoweit zugestanden, als der Arbeitgeber ein „berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Fragen im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat”. Spätestens seit der Aufnahme des umfassenden arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbots im Schwerbehindertenrecht ist die Frage nach der Schwerbehinderung indes grundsätzlich unzulässig.

Nur ausnahmsweise darf hiernach gefragt werden, wenn für die Tätigkeit ganz bestimmte körperliche oder geistige Fähigkeiten zwingend erforderlich sind. Dann darf der Arbeitgeber fragen, ob beim Bewerber Beeinträchtigungen vorhanden sind, die ihn für die Anforderungen der Stelle ungeeignet erscheinen lassen – die generelle Frage nach einer Behinderung ist aber auch hier verboten.

4. Besonderheiten bei Ablehnung schwerbehinderter Bewerber

Entscheidet sich Arbeitgeber gegen einen schwerbehinderten Bewerber, müssen sie – wie bei der Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer - alle oben genannten Beteiligten unter Angabe von Gründen darüber informieren. Weiterhin darf der Grund der Ablehnung nicht in der Schwerbehinderung liegen, da dies einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar-stellen würde. Aus diesem Grund ist auch das Ablehnungsschreiben an den Bewerber rechtssicher zu formulieren. So darf im Absageschreiben kein Hinweis darauf enthalten sein, dass die Ablehnung (un-)mittelbar aufgrund der Behinderung des Bewerbers erfolgt. Es empfiehlt sich deshalb die Gründe im Rahmen einer Absage kurz zu halten und allein auf sachliche Kriterien zu stützen.

Fazit: Augen auf bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen

Arbeitgeber treffen im Bewerbungsprozess eines schwerbehinderten Menschen zusätzliche Pflichten. Diese sollten ernst genommen werden, da anderenfalls schnell der Vorwurf der Diskriminierung samt Schadensersatzforderungen im Raum steht. Im Zweifel sollten Arbeitgeber daher einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu Rate ziehen, der bei Fragen behilflich ist. Als erfahrene Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht stehen wir Ihnen mit unserer Expertise zur Seite – kontaktieren Sie uns gerne jederzeit.