Anders als weitläufig verbreitet, entsteht ein Arbeitsverhältnis nicht erst mit Abschluss eines schriftlichen Vertrages. Vielmehr genügen bereits zwei mündliche oder konkludente Erklärungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Letzteres ist in der Regel darin zu sehen, dass der Mitarbeiter mit Einverständnis des Arbeitgebers die Arbeit rein tatsächlich aufnimmt. Dass im Arbeitsvertrag unter Umständen ein anderer Arbeitsbeginn steht, ist dann ohne Belang.

Faktische Weiterbeschäftigung von Auszubildenden

Besonders vorsichtig müssen Arbeitgeber bei Auszubildenden sein. Diese stehen in einem besonderen Ausbildungsverhältnis, das gemäß § 21 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) mit Bekanntgabe des positiven Prüfungsergebnisses durch den Prüfungsausschuss endet. Dies gilt unabhängig der vereinbarten Ausbildungszeit.

Beschäftigt der Arbeitgeber den Auszubildenden nach diesem Tage faktisch weiter, ohne ausdrücklich etwas anderes zu vereinbaren, begründet dies nach § 24 BBiG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mitsamt Kündigungsschutz. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien sich nur mündlich auf eine Befristung – etwa bis zum Monatsende oder der vereinbarten Ausbildungsdauer – einigen, da eine Befristung zwingend schriftlich erfolgen muss, § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).

Die Folgen des § 24 BBiG greifen allerdings nur, wenn der Auszubildende dem Ausbilder oder einem zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreter das Ergebnis seiner Prüfung mitgeteilt hat (BAG vom 20.03.2018 – 9 AZR 479/17). Kurzum: Der Arbeitgeber muss Kenntnis von der Beendigung der Ausbildung haben. Dass eine solche Information erfolgt ist, muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen.

Faktische Beschäftigung als Falle bei befristeten Arbeitsverträgen

Befristete Arbeitsverträge bedürfen für ihre Wirksamkeit zwingend einer schriftlichen Vereinbarung, § 14 Abs. 4 TzBfG. Anderenfalls gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen, § 16 S. 1 TzBfG.

Das führt vor allem in Fällen der Beschäftigung vor vertraglichem Arbeitsbeginn zu Problemen. Wird der Arbeitnehmer beispielsweise zum 01. August befristet angestellt, soll aber schon davor wegen akutem Arbeiterbedarf mit der Tätigkeit beginnen, entsteht bereits jetzt ein konkludentes Arbeitsverhältnis. Dieses ist gerade nicht schriftlich vereinbart, sodass die Befristung unwirksam ist. In der Folge besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem vollen Kündigungsschutz.

Eine ähnliche Gefahr lauert bei sachgrundlosen Kettenbefristungen. Soll die Befristung eines Mitarbeiters verlängert werden, muss dies vor Ende des aktuellen befristeten Arbeitsverhältnisses geschehen. Wird der Arbeitnehmer hingegen nach Ende der ersten Befristung auch nur einen Tag beschäftigt, bevor die neue sachgrundlose Befristung vereinbart wird, scheidet eine Verlängerung der Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG aus. Auch in Fällen der Befristung wegen eines Sachgrundes muss der Arbeitgeber einer Weiterbeschäftigung nach Ende der Vertragszeit unverzüglich widersprechen, um gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu verhindern.

Faktische Beschäftigung in Kündigungsstreitigkeiten

Weitere Fallstricke ergeben sich für Arbeitgeber während einer Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber dem Mitarbeiter bereits gekündigt, wobei sich dieser gegen die Kündigung gerichtlich wehrt. Würde der Arbeitnehmer im Prozess obsiegen, hat er Anspruch auf Annahmeverzugslohn für die Zeit seit der Kündigung. Wegen dieser Gefahr lassen viele Arbeitgeber den Mitarbeiter während des Prozesses weiterarbeiten, um wenigstens die Arbeitsleistung zu erhalten. Doch hier ist Vorsicht geboten:

Kündigte der Arbeitgeber dem Mitarbeiter außerordentlich wegen verhaltensbedingten Gründen, sollte eine solche Weiterbeschäftigung bis zum erstinstanzlichen Urteil vermieden werden. Ansonsten widerspricht sich der Arbeitgeber selbst: Eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung erfolgt gerade aus dem Grund, weil dem Arbeitgeber die Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter unter keinen Umständen mehr zuzumuten ist. Stellt er den Arbeitnehmer nun für die Zeit des Prozesses wieder ein, zeigt der Arbeitgeber jedoch, dass eine Zusammenarbeit doch noch zumutbar ist. Ähnliches gilt bei betriebsbedingten Kündigungen. Wird der Mitarbeiter entlassen, weil sein Arbeitsplatz wegfällt, deutet eine Prozessbeschäftigung gerade auf das Gegenteil hin. Immerhin gibt es scheinbar doch Arbeit für den gekündigten Arbeitnehmer.

In Fällen allen anderen Kündigungsfällen sind solche Prozessarbeitsverhältnisse aber denkbar. Sie stellen befristete Arbeitsverträge für die Zeit des Gerichtsverfahrens dar und sind deshalb zwingend schriftlich zu vereinbaren. Eine Weiterbeschäftigung ohne schriftlichen Vertrag führt zu einem neuen, unbefristeten Arbeitsverhältnis.

Einen Sonderfall stellt es dar, wenn der Arbeitnehmer den Prozess in erster Instanz gewinnt und der Arbeitgeber Rechtsmittel einlegt. Bis zur Entscheidung in zweiter Instanz besteht für den Arbeitnehmer ein vorläufig vollstreckbarer Weiterbeschäftigungsanspruch. In diesem Fall kann der Arbeitgeber entweder nach obigen Anforderungen ein Prozessarbeitsverhältnis anbieten oder den Arbeitnehmer ohne neuen Arbeitsvertrag nur „zur Abwendung der Zwangsvollstreckung“ beschäftigen. In jedem Fall sollte explizit klargestellt werden, dass durch die Beschäftigung nur die Vollstreckung abgewehrt und kein neues Arbeitsverhältnis begründet werden soll.

Abschließende Checkliste für Arbeitgeber

Insbesondere in drei typischen Fallgruppen sollten Arbeitgeber auf die Fallen faktischer Beschäftigung achten:

  1. Vorsicht bei Weiterbeschäftigungen von Auszubildenden nach deren Ausbildungsende
  2. Vorsicht bei der Vor- und Nachbeschäftigung befristeter Arbeitnehmer
  3. Vorsicht bei Beschäftigung gekündigter Arbeitnehmern während eines Kündigungsschutzprozesses

Neben diesen in der Praxis regelmäßig auftretenden Fällen, sollten Sie als Arbeitgeber generell genau hinschauen. Sobald eine tatsächliche Beschäftigung außerhalb der vertraglichen Vereinbarung erfolgen soll, empfiehlt es sich immer, die rechtlichen Folgen vorab prüfen zu lassen. So verhindern Sie im Zweifel ungewollte Arbeitsverhältnisse und hohe Kosten. Als erfahrene Fachanwalte im Arbeitsrecht beraten wir Sie in diesen Fragen sehr gerne.