Ein Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber fällt zwar nicht unter das Widerrufsrecht aufgrund verbraucherrechtlicher Vorschriften, er kann jedoch unwirksam sein, wenn bei den Verhandlungen gegen das Fairnessgebot verstoßen wurde. Dieses Gebot ist insbesondere dann verletzt, wenn einer der Beteiligten eine Drucksituation aufbaut oder ausnutzt, die eine freie Entscheidung der anderen Vertragspartei wesentlich erschwert.

Kein Widerrufsrecht

Aufhebungsverträge sind im Arbeitsleben häufig. Gegenüber einer ordentlichen Kündigung hat der Aufhebungsvertrag für den Arbeitgeber den Vorteil, dass kein Kündigungsgrund vorliegen muss, der später gerichtlich angegriffen werden könnte. Der Aufhebungsvertrag bietet sich oft als diskrete und für beide Seiten bequeme Auflösung des Arbeitsverhältnisses an, ohne eine eventuelle Verfehlung aktenkundig zu machen. Doch in der Praxis gibt es häufig Situationen, in denen sich einer der Beteiligten überrumpelt oder unter Druck gesetzt fühlt, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.

Diese Fälle ähneln oft den bekannten „Haustürgeschäften“, welche nach § 312g Abs. 1 BGB ohne Angabe von Gründen innerhalb der zweiwöchigen Widerrufsfrist widerrufen werden können. Allerdings ist hierfür Voraussetzung, dass der Aufhebungsvertrag „außerhalb der Geschäftsräume“ des Arbeitgebers abgeschlossen wurde, vgl. § 312b BGB.Ein solcher Sachverhalt lag zum Beispiel einer Entscheidung des LAG Niedersachsen zugrunde (Urteil vom 7. November 2017, 10 Sa 1159/16). Die betroffene Arbeitnehmerin war erkrankt und wurde von einem Beauftragten ihres Arbeitgebers zuhause besucht. Dort kam es auch zum Vertragsschluss. Die Hannoveraner Richter schlossen ein Widerrufsrecht nach verbraucherrechtlichen Vorschriften jedoch aus, weil Aufhebungsverträge keine Vertriebsverträge seien, da es nicht um den Absatz von Waren oder Dienstleistungen geht. Die Klägerin unterlag.

Drucksituation führt zur Unwirksamkeit

Gegen das LAG-Urteil ging die Arbeitnehmerin vor das Bundesarbeitsgericht. Die Richter in Erfurt schlossen sich zunächst der Meinung der Vorinstanz an, dass die verbraucherrechtlichen BGB-Regelungen bei arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen nicht gelten. Dies sei nie Absicht des Gesetzgebers gewesen. Damit folgte das BAG einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2003 (BAG Urteil vom 27. November 2003, 2 AZR 177/03).

Im Ergebnis hob das BAG die vorangegangenen Urteile jedoch auf und verwies die Sache an die Vorinstanz (Urteil vom 7. Februar 2019, 6 AZR 75/18) zurück. Denn das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend geprüft, ob eventuell das Fairnessgebot bei den Verhandlungen über den Auflösungsvertrag verletzt worden sei. Das Fairnessgebot sei eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag, deren Verletzung zur Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrags führen könne. Dies sei zum Beispiel dann denkbar, wenn sich ein Arbeitnehmer einer psychischen Drucksituation ausgesetzt fühlt, in der er nicht frei darüber entscheiden könne, ob er den Aufhebungsvertrag unterschreibt oder nicht. Eine solche Situation sei aber gerade in diesem Fall denkbar gewesen. Denn die Arbeitnehmerin war erkrankt, und es sei nicht ausgeschlossen, dass vonseiten des Arbeitgebers diese Schwäche bewusst ausgenutzt wurde.

Konsequenzen aus dem BAG-Urteil                                

Richter Holzhammer

Es ist zurzeit noch nicht absehbar, welche Auswirkungen das BAG-Urteil haben wird. Klar ist, dass auch Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern Drucksituationen aufbauen – und ausnutzen – können. Zudem dürfte sich kaum eine Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag denken lassen, in der sich nicht die eine oder andere Seite in irgendeiner Form unter Druck fühlt. Das mit dem Urteil vom 7. Februar 2019 neu aufgestellte Fairnessgebot für die Verhandlungen über Aufhebungsverträge könnte jedoch dazu führen, dass in Zukunft mehr Aufhebungsverträge als sonst Gegenstand einer juristischen Prüfung werden.

Gerne sind wir für Sie da!

Gerade bei Aufhebungsverträgen ist anwaltlicher Rat wichtig. Kompetente Rechtsberatung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht schützt davor, vorschnelle oder im Ergebnis ungünstige Entscheidungen zu treffen – sei es für den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer. Und auch ein bereits geschlossener Aufhebungsvertrag lässt sich – wie die Entscheidung des BAG zeigt – in einigen Fällen noch rückgängig machen oder bietet die Chance für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.